Business-Events stehen unter Druck und zugleich vor spannenden Chancen. Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel von der Hochschule Heilbronn erklärt, wie sich Formate, Technologien und Anforderungen verändern und was die Branche tun muss, um für junge Talente attraktiv zu bleiben.

Wie würden Sie die aktuelle Entwicklung bei Business-Events in Deutschland beschreiben? Gibt es Umbrüche, die die Branche derzeit prägen?
Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel: Der größte Einschnitt war zweifellos die Corona-Pandemie. Die Branche wurde damals praktisch mit einem Veranstaltungsverbot belegt – von jetzt auf gleich. Das war ein Schock. Inzwischen hat sich die Eventbranche zwar gut erholt und ist weitgehend zurück, aber es gibt noch Dellen. Und jetzt stehen wir vor einem massiven Wandel, insbesondere im Bereich der Business-Events. Drei Themen treiben diesen Wandel besonders stark: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und der Fachkräftemangel.
Was bedeutet Digitalisierung konkret für die Eventbranche?
Kiel: Digitalisierung betrifft vor allem die Veranstaltungsformate. Früher gab es ausschließlich Präsenzveranstaltungen. Die Pandemie hat hier neue Möglichkeiten eröffnet: Heute sind digitale und hybride Formate fest etabliert. Das bringt Vorteile, etwa geringere Reisekosten für Unternehmen. Aber es bedeutet auch, dass Veranstaltungsorte massiv in Technik investieren mussten – das ist teuer und erfordert Know-how. Präsenzveranstaltungen müssen heute durch digitale Plattformen ergänzt werden, was Personal und Infrastruktur voraussetzt.
Wie schätzen Sie die Zukunft ein: Bleiben die drei Formate – präsenz, hybrid, digital – bestehen oder wird es weitere Verschiebungen geben?
Kiel: Das ist schwer vorherzusehen und hängt auch immer stark vom Zweck der Veranstaltung ab. Bei reinen Informationsveranstaltungen wird es meiner Meinung nach viele digitale Formate geben. Aber Events leben auch von Emotionalität und Erlebnischarakter – das lässt sich digital nur schwer abbilden. Wenn etwa ein neues Auto präsentiert wird, braucht es den Wow-Effekt vor Ort. Deshalb kehrt auch die Präsenz zurück. Die IAA, die Internationale Automobil-Ausstellung, zeigt das gut: Sie fand vor kurzem nicht mehr nur in Messehallen statt, sondern mitten in München – das ist Eventkommunikation mit Erlebnischarakter.
Neben den Formaten – was verändert sich noch durch die Digitalisierung?
Kiel: Ein weiterer Aspekt ist die Event-Technologie. Wir sehen zunehmend KI-gestützte Tools, interaktive Apps, virtuelle Messen und Gamification-Elemente. Das verändert die Art, wie Events konzipiert und erlebt werden. Der E-Sport ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich neue Formate aus technischen Entwicklungen heraus etablieren.
Besteht die Gefahr, dass kleinere Unternehmen oder Veranstalter hier nicht mehr mithalten können?
Kiel: Das sehe ich nicht wirklich. Kleine, agile Firmen sind oft sehr innovativ und flexibel. Sie können Trends schnell aufgreifen und umsetzen. Größere Unternehmen sind da langsamer – sie kompensieren das meist mit viel Geld. Aber wenn die Industrie schwächelt, wird zuerst im Marketing gespart – und damit auch bei Events.
Beobachten Sie aktuell einen Rückgang bei Business-Events – unabhängig vom Format?
Kiel: Nein, eigentlich nicht. Wir befinden uns noch in einer Phase des Nachholens. Aber die allgemeine Konjunktur spielt eine große Rolle. Wäre die wirtschaftliche Lage stabiler, wären wir schon weiter. Besonders die Automobilindustrie, ein zentraler Player im Eventbereich, zeigt gerade Schwächen. Wenn dort gespart wird, betrifft das auch die Events. Ich erinnere mich an ein Beispiel von VW: Bei der Einführung eines neuen Modells wurden rund 18.000 Händler nach Mallorca eingeladen – über Monate hinweg, in Drei-Tage-Formaten mit Flug, Party, Businessinformationen und Abschlussveranstaltung. Das zeigt, wie groß solche Events sein können – und wie stark sie von der Wirtschaftslage abhängen.
Welche Rolle spielen solche Events für die Themen Markenbildung, Unternehmenskommunikation und Netzwerkpflege?
Kiel: Eine sehr große. Gerade bei Produkten mit hohem Erlebnischarakter sind Events unverzichtbar. Man sieht das beispielsweise gut bei BYD – eines der größten Automobilunternehmen Chinas, das hier jedoch kaum jemand kannte. Bei der EM 2024 war es plötzlich auf allen Kanälen präsent. Solche Formate sind essenziell für Markenaufbau und Sichtbarkeit.
Gibt es auch in der Region Heilbronn-Franken Best-Practice-Beispiele für innovative oder nachhaltige Eventkonzepte?
Kiel: Ja, das Würth Forum ist ein hervorragendes Beispiel. Eine Top-Location, die viel ermöglicht – aber auch ihren Preis hat. Für die Region ist das ein echter Gewinn.
Sie hatten auch das Thema Nachhaltigkeit angesprochen. Wie stark beeinflusst das die Eventbranche aktuell?
Kiel: Nachhaltigkeit ist ein viel diskutiertes Thema – gerade im Kontext sogenannter Green Events. Dabei geht es um klimaneutrale Locations, regionale Catering-Konzepte, Mehrwegmaterialien oder CO₂-Kompensation. Das klingt gut, ist aber mit hohen Kosten verbunden. Es wird viel darüber gesprochen, doch sobald die wirtschaftliche Lage angespannt ist, ziehen viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsambitionen zurück.
Und der Fachkräftemangel. Wie zeigt sich das in der Eventbranche?
Kiel: Der Fachkräftemangel ist eine direkte Folge der Pandemie. Viele Mitarbeitende sind damals abgewandert und nicht zurückgekehrt. Das wirkt sich massiv auf die Kosten aus – vor allem bei Großevents. Veranstaltungstechniker oder Security kosten heute oft das Doppelte.
Spüren Sie das auch in Ihrem Studiengang?
Kiel: Ja, ganz deutlich. Wir hatten durch das faktische Berufsverbot in der Eventbranche weniger Studienanfänger als zuvor. Das Vertrauen in die Branche war erschüttert.
Glauben Sie, dass sich das langfristig wieder erholen wird?
Kiel: Ich denke schon, aber es wird Zeit brauchen. Die Branche muss sich als Arbeitgeber attraktiver positionieren – Stichwort Employer Branding. Früher hat man in Agenturen oft deutlich weniger verdient als bei großen Unternehmen. Heute müssen Agenturen und Veranstaltungsorte mehr bieten: leistungsorientierte Bezahlung, Work-Life-Balance, Weiterbildungsangebote. Das ist notwendig, um Fachkräfte zurückzugewinnen.
Hat sich der Studiengang selbst verändert, um auf diese Entwicklungen zu reagieren?
Kiel: In den Grundlagen nicht, aber wir erweitern unsere Angebote. Zum Beispiel wollen wir mehr in EDV und Veranstaltungstechnik investieren – da arbeite ich mit Partnern wie der Media Resource Group (MRG) in Crailsheim zusammen. Außerdem machen wir regelmäßig Exkursionen, damit die Studierenden aktuelle Entwicklungen direkt erleben.
Wie sieht es mit dem Thema Künstliche Intelligenz aus – spielt das im Studium bereits eine Rolle?
Kiel: Ich versuche, das Thema KI stärker zu integrieren. Es fehlt uns noch an Lehrpersonal mit entsprechender Expertise. Aber KI ist gerade im Vorfeld von Events sehr hilfreich – etwa bei der Kommunikation mit Teilnehmenden. Statt tausende E-Mails zu schreiben, kann man Chatbots einsetzen, die die häufigsten Fragen automatisch beantworten. Das reduziert den Handling-Aufwand enorm und kann damit natürlich auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Interview von Teresa Zwirner

Zur Person
Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel ist Studiendekan an der Fakultät Technik
und Wirtschaft der Hochschule Heilbronn. Er verantwortet die Studiengänge Betriebswirtschaft und Kultur-, Freizeit-, Sportmanagement (B.A.) sowie Betriebswirtschaft und Kultur-, Freizeit- und Sportmanagement (M.A.) am Campus Künzelsau.


