Noch vor zehn Jahren gab fast jeder dritte deutsche Unternehmer an, von der Digitalisierung kaum betroffen zu sein. Das Blatt hat sich zwar gewendet, Nachholbedarf besteht aber immer noch, sagt Prof. Dr. Claus Gerberich, Dozent am Heilbronner Zentrum für Weiterbildung. Die gute Nachricht: „Digital Leadership“ lässt sich lernen.

Ob es um Länderinteressen oder neue Technologien geht: Viele Entscheider fordern aktuell, an etwas „first“ – zuerst – zu denken und es zum obersten Gebot zu machen. Bei Unternehmenslenkern steht inzwischen oft die Digitalisierung auf Platz eins ihrer Prioritätenliste. Bewährte Geschäftsmodelle verändern sich – und damit die Anforderungen an das Führungspersonal im Umgang mit neuen Technologien, beim Einsatz effizienter Anwendungen und beim Management dieses Kulturwandels.
Auch, wenn vielen Unternehmenslenkern die Wichtigkeit des Leitbilds „Digital First“ durchaus bewusst ist, haperte es lange an der Umsetzung: So definierten sich vor zehn Jahren nur sieben Prozent der Führungskräfte als „Digital Leader“, fast jeder Dritte sah sich lediglich „schwach betroffen“ von der Digitalisierung. Zu diesen Ergebnissen kam damals eine empirische Studie des Kasseler IT-Unternehmens Crisp Research, heute Cloudflare.
Digitale Transformation als entscheidender Erfolgsfaktor
Auch ein Jahrzehnt später scheint es noch Nachholbedarf zu geben, um gerade im Mittelstand „Digital Leadership“ in der C-Level-Ebene zu verankern. Professor Dr. Claus Gerberich, Dozent am Heilbronner IHK-Zentrum für Weiterbildung und Präsident der HEX, Hochschule für Excellence Schweiz, kann das bestätigen: „Die digitale Transformation ist für Unternehmen jeder Größe ein entscheidender Erfolgsfaktor. Sowohl in Gesprächen und aus Projekten mit unseren Kunden, als auch durch unsere Lehrtätigkeit an verschiedenen Hochschulen, haben wir festgestellt, dass in diesem Bereich noch Bedarf besteht“.
Lehrgang zum „Digital Leader“
Das IHK-Institut bietet deshalb seit Ende März erstmals eine Weiterbildung zum Chief Transformation Officer (CTO) an. Den Lehrgang leitet Gerberich gemeinsam mit seinem Partner Dr. Steffen Weimann. Das Ziel: in fünf Kurstagen à acht Unterrichtsstunden von Fachkräften und Chefs zu „Digital Leadern“. „In den Inhalten sind strategische, technologische, organisationale und kulturellen Perspektiven integriert und geben eine Übersicht über Zusammenhänge und Wirkungsmechanismen der Digitalen Transformation“, sagt Weimann. Diese grundlegenden Denkanstöße will der Zertifikatslehrgang laut des IHK-Weiterbildungsinstituts in 40 Unterrichtsstunden vermitteln.
Die digitale Transformation verändere die Geschäftswelt in einem nie dagewesenen Ausmaß. Märkte und traditionelle Geschäftsmodelle würden aufgebrochen, Technologien beschleunigten den Wandel, bisher feste Branchengrenzen würden zunehmend verschwimmen, heißt es beim Zentrum für Weiterbildung: „Um in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen jeder Größe und Branche ihre Strategien, Organisationsstrukturen und Unternehmenskulturen kontinuierlich anpassen.“ Digitale Transformation sei nicht länger optional – sie sei der Schlüssel zum Überleben und für Wachstum. Sich weiterzubilden, könnte bei der Aufholjagd den entscheidenden Vorsprung bringen.
Nachfrage nach Digital Leadership stark gestiegen
Die Unternehmen in der Region haben den Nachholbedarf nach Ansicht Gerberichs erkannt: „Die Nachfrage ist in den letzten Jahren stark gestiegen“, resümiert er. „Viele Unternehmen erkennen, dass digitale Kompetenzen unerlässlich sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Seine Beobachtung deckt sich mit dem, was die Goethe-Universität Frankfurt schon 2016 in ihrer Studie „Digital Leadership – die Zukunft der Führung in Unternehmen“ herausstellte: insbesondere die in Heilbronn-Franken starken Branchen Automobil- und Zulieferindustrie, IT und Pharma wollen in Sachen Digitalisierung aufholen. Das gelte sowohl für große „Player“ und Weltmarktführer als auch für KMU. Beide Zielgruppen nähmen verstärkt an solchen Programmen teil. Doch während große Unternehmen oft bestehende Transformationsprozesse optimieren wollten, „suchen KMU gezielt nach strategischer Unterstützung. Auch privat Interessierte nutzen das Angebot zur eigenen Weiterentwicklung.“ Besonders gefragt sind nach Gerberichs Erfahrung ganzheitliche Programme, die „nicht nur die Beherrschung der neuen Technologien fördern, sondern die unternehmensweite Transformation“, ergänzt er.
Natalie Kotowski