Sind Regionen wie Heilbronn-Franken oder das Rhein-Main-Gebiet aufgrund ihrer Wirtschaftsstärke weniger krisenanfällig? Das zwar nicht, sagt Wolf Matthias Mang, Vizepräsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln und selbst Unternehmer. Doch wer standortbezogen agiert und sich als attraktiver Arbeitgeber positioniert, wird dennoch kluge Köpfe anlocken.
Herr Mang, würden Sie sagen, dass Regionen wie Heilbronn-Franken, das Rhein-Main-Gebiet, oder auch das Nürnberger Umland krisenresistenter sind als andere Wirtschaftsräume in Deutschland?
Wolf Matthias Mang: Nein, denn wir haben in den letzten 20 Jahren viele verschiedene Krisen erlebt, die sich unterschiedlich stark auf die Wirtschaftsregionen ausgewirkt haben. Beispielsweise hat die Finanzkrise 2007/2008 den Finanzplatz Frankfurt besonders getroffen. In der Corona-Pandemie wurde der Betrieb an den Flughäfen, so auch in Frankfurt und Nürnberg, drastisch heruntergefahren. Für viele Unternehmen sind gestörte Lieferketten infolge der Pandemie und des russischen Angriffskrieges ein großes Problem, für viele auch ein Weckruf. Wer seine Zulieferer in der Nachbarschaft hat, ist weniger betroffen. Jedenfalls steigern wir die Resistenz etwa durch den Innovationspark Künstliche Intelligenz in Heilbronn oder durch den Internetknotenpunkt DE-CIX und die vielen Rechenzentren in Rhein-Main.
Für wie bedrohlich halten Sie den Fachkräftemangel im Land und speziell in den beschriebenen Regionen?
Mang: Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für unseren Standort. Er beeinträchtigt die Produktivität und hemmt Innovationen. Beides brauchen wir aber, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei hat der demographische Effekt noch gar nicht richtig eingesetzt. Das heißt, der Wettbewerb um Talente wird noch schärfer. Unternehmen versuchen daher vielfach, gezielt qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Darin unterscheiden sich die Regionen: Heilbronn-Franken ist mittelständisch geprägt und hat eine hohe Lebensqualität. Bei potenziellen Fachkräften aus dem Ausland ist diese ländliche Region aber nicht so bekannt. Sie zieht es eher in Regionen wie das Nürnberger Umland oder das Rhein-Main-Gebiet. Dort aber sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch und Wohnraum schwer zu finden.
Wie begegnen Sie selbst als Unternehmer dieser Herausforderung?
Mang: Unsere Maßnahmen müssen immer standortbezogen erfolgen. Gleichzeitig müssen sie natürlich unternehmensbezogen und gewinnorientiert sein. Gegen den Fachkräftemangel hilft eine klare, überzeugende Arbeitgebermarke, die die Werte, die Kultur und die Vorteile des Unternehmens hervorhebt. Vor allem aber setzen wir auf unsere Beschäftigten. Zufriedene Mitarbeiter sind die besten Werbeträger für neue Fachkräfte.
Was macht Ihnen persönlich Hoffnung in dieser Frage?
Mang: Hoffnung macht mir, dass die nächste Generation, auch in unserer Familie, unternehmerische Verantwortung übernommen hat und mit innovativen Ideen nicht nur dem Fachkräftemangel begegnet, sondern darüber hinaus viele neue Ansätze entwickelt, die unsere Unternehmen nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen.
Haben Sie Tipps an andere Unternehmer – bezüglich sinnvoller Standortwahl innerhalb Deutschlands und des Recruitings von Fachkräften?
Mang: Die Wahl des richtigen Standorts hängt natürlich sehr davon ab, was ein Unternehmen macht, wie es aufgebaut ist und was es für seinen Erfolg benötigt. Für das Rhein-Main-Gebiet, Nürnberg und die Region Heilbronn-Franken sprechen zum Beispiel die sehr gute Verkehrsanbindung und die hohe Lebensqualität, was ja ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Gewinnung von Fachkräften ist.
Wie wird sich aus Ihrer Sicht Deutschlands Mittelstand entwickeln?
Mang: Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist weiterhin schlecht, vor allem in der Bauwirtschaft und der Industrie. In diesen Wirtschaftszweigen erwarten wir, dass es auch im zweiten Halbjahr weiter abwärts geht. Im Dienstleistungssektor ist die Lage aktuell noch am besten, hoffentlich wird es dort im kommenden Jahr mit einem Aufwärtstrend weitergehen. Insgesamt erwarte ich jedoch in den kommenden beiden Jahren ein schwaches Wirtschaftswachstum. Die Ampelregierung muss dringend Wachstumsimpulse setzen. Die Unternehmen brauchen vor allem Kostenentlastungen, Bürokratieabbau und Infrastrukturinvestitionen.
Zur Person
Wolf Matthias Mang führt gemeinsam mit seiner Tochter Isabelle und Schwiegersohn Dr. Benedikt Himbert die Arno Arnold GmbH in Obertshausen. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Oechsler AG in Ansbach und als Experte in Verbänden engagiert: Beim Arbeitgeberverband HESSENMETALL als Vorstandsvorsitzender, als Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände und als Vizepräsident beim Institut der deutschen Wirtschaft.
Interview von Natalie Kotowski