Der Landkreis Heilbronn steht laut Prognos-Zukunftsatlas aktuell auf Platz zehn der Regionen mit den besten Zukunftschancen in Deutschland. Dafür, dass das so bleibt, setzt sich Landrat Norbert Heuser ein: Mit dem PROMAGAZIN hat er über die Notwendigkeit gesprochen, Zukunftstechnologien zu fördern und neue Industriegebiete auszuweisen – mit Augenmaß.
Herr Heuser, Sie sind nicht nur Landrat des Landkreises Heilbronn, sondern auch ein Vorkämpfer für innovative Konzepte. Unter Ihrer Leitung hat die H2-ImpulsStrategie ein starkes Netzwerk entwickelt. „Wasserstoff ist nicht nur für unsere Region von zentraler Bedeutung, sondern wird auch für ganz Baden-Württemberg eine Schlüsselrolle in der zukünftigen Energieversorgung spielen“, haben Sie gesagt. Auch für den Ausbau der Photovoltaik setzen Sie sich in enger Zusammenarbeit mit dem PV-Netzwerk Heilbronn-Franken ein. Ist der Landkreis Heilbronn beim Thema Klimaschutz in Zeiten von Energie- und Umweltkrisen noch engagierter als der Rest des Landes?
Norbert Heuser: Die Zeichen der Zeit haben im Land viele Verantwortliche erkannt, da wartet niemand auf uns. Es liegt daher in unserem ganz eigenen Interesse, die Transformation im Bereich von Zukunftstechnologien und Energieversorgung voranzubringen und dafür jetzt die richtigen Weichen zu stellen, damit wir auch in 15 Jahren noch eine wirtschaftsstarke Region sind.
Werden Sie mit Ihrem vielfältigen Engagement als Schlüsselfigur in Bezug auf Zukunftstechnologien wahrgenommen?
Heuser: Wenn in diesem Zuge mein Engagement auch als Sprecher für die Metropolregion Stuttgart überregional wahrgenommen wird, dann ist das sicher ein gutes Zeichen. Aber als Schlüsselfigur sehe ich mich da nicht.
Gleichzeitig haben Sie bereits kurz nach Amtsantritt betont, wie wichtig es bleibt, neue Industriegebiete auszuweisen. Warum ist das gerade für den Landkreis Heilbronn so wichtig?
Heuser: Der Landkreis Heilbronn weist einen starken industriellen Besatz aus. Das ist eine der Grundlagen für die hiesige Wertschöpfung und damit auch für unseren Wohlstand. Doch dieser Zustand ist nicht statisch. Es wird eine sehr große Herausforderung, unsere wirtschaftliche Stärke zu halten. Aus meiner Sicht ist es daher notwendig, bei der Ausweisung neuer Industriegebiete eine gute Balance zwischen einem möglichst geringen Flächenverbrauch und der Aufrechterhaltung einer zukunftsfähigen Wirtschaft zu finden. Denn vollständig auf neue Industriegebiete zu verzichten, führt zu einer Stagnation bei den Unternehmen und damit der Wirtschaft.
Die Entscheidung über die Ausweisung neuer Flächen für Industrie und Produktion liegt nicht bei Ihnen als Landrat, sondern bei den politischen Gremien der Kommunen. Vor dem Hintergrund, dass Sie selbst lange Zeit Bürgermeister in Neuenstadt am Kocher waren: Wie lautet Ihr Appell an die Entscheider? Welche Lösungen könnte es geben?
Heuser: Ich plädiere dafür, dass wir neuen Technologien auch Platz geben müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir immer mehr Flächen versiegeln: Zum einen können verstärkt Flächen nachgenutzt werden, die im Zuge des Transformationsprozesses in vorhandenen Industriegebieten frei werden. Zum anderen werden neue Industriegebiete heute auch ganz anders geplant und realisiert als früher – möglichst im Einklang mit der Natur, mit Regenwassermanagement, Dachbegrünungen und einer grünen Umgebung. Hinzu kommt: Es gibt viele neue Unternehmen und Startups, die wir für die künftige Energiewende ja dringend brauchen, gerade im Bereich der Zukunftstechnologien und Energiegewinnung.
Was passiert, wenn in dieser Frage „nichts passiert“ – und warum könnte gerade der Landkreis Heilbronn dann „abgehängt“ werden
Heuser: Würden wir keinerlei neue Flächen für Unternehmen zur Verfügung stellen, dann bedeutet das Stagnation. Unsere Wirtschaft könnte sich nicht weiter entwickeln, keine neuen Arbeitsplätze mehr schaffen oder die vorhandenen sichern. Und machen wir uns nichts vor: Wenn wir hier keine Zukunftstechnologien mehr zulassen, dann gehen diese woanders hin. Wir brauchen diese Technologien aber auch in der Region, zumal dazu auch viele nachhaltige Anwendungen gehören – etwa Elektrolyseure, die mit der Produktion von grünem Wasserstoff dekarbonisierte Energie erzeugen, denn aktuelle Beispiele in Deutschland zeigen: Die Industrie folgt der Energie.
Wie lässt sich aus Ihrer Sicht die Balance finden zwischen Klimaschutz und Wirtschaftskraft im Landkreis Heilbronn?
Heuser: Die Balance finden wir, indem wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben und hierfür schon heute die nötigen Weichen stellen. Abgesehen vom Ausbau von Stromnetzen gehört dazu auch eine passende Wasserstoff-Infrastruktur, für deren Aufbau ich mich auf Ebene der Region Heilbronn-Franken als Koordinator mit Nachdruck und viel Herzblut einsetze.
Herr Heuser, wenn Sie in die Zukunft blicken könnten: Was wäre Ihre Prognose und Ihr Wunsch für Ihren Landkreis bis zum Jahr 2030?
Heuser: Derzeit steht der Landkreis Heilbronn, dessen Wirtschaftsstruktur von Industrie, Handel, Handwerk und einem starken Mittelstand geprägt ist, von allen 400 Regionen in ganz Deutschland auf einem hervorragenden zehnten Platz bei den besten Zukunftschancen. Das ist eine gute Ausgangsposition. Aber die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland und damit auch bei uns ist alles andere als einfach. Nicht Depression, sondern Mut und Zuversicht und Handeln sind gefragt – ganz im Sinne von Dante Alighieri: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“ Denken Sie nur an die Chance, die uns das IPAI und das Thema Künstliche Intelligenz bieten.
Sie warten also nicht ab, sondern packen an, um ihrem Landkreis diesen Spitzenplatz in Bezug auf Zukunftschancen langfristig zu sichern.
Heuser: Bis 2030 sind es nur noch sechs Jahre, die wir gut nutzen sollten – für die Transformation hin zu einer ausreichend vorhandenen dekarbonisierten und bezahlbaren Energieversorgung, für den Erhalt und die Ansiedlung von Unternehmen, die mit neuen Technologien unsere Region weiter voranbringen sowie für den weiteren Ausbau einer nachhaltigen und nutzergerechten Mobilität. Wenn wir das schaffen, dann können wir im Landkreis Heilbronn und in der Region Heilbronn-Franken weiterhin gut leben, wohnen und arbeiten.
Zur Person
Seit drei Jahren ist Norbert Heuser Landrat des Landkreises Heilbronn. Der 59-Jährige wuchs in Krautheim im Hohenlohekreis auf. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Ludwigsburg mit dem Abschluss Diplom-Verwaltungswirt (FH). Ab 1990 war er Kämmerer der Gemeinde Jagsthausen. 2002 wurde er zum Bürgermeister der Stadt Neuenstadt am Kocher gewählt. Zudem war er parteilos ab 2009 Mitglied der CDU-Fraktion im Kreistag des Landkreises Heilbronn.
Interview: Natalie Kotowski