Nachhaltigkeit und Digitalisierung waren zwei Schwerpunkte der diesjährigen Fachpack, der Branchenmesse für die Verpackungsindustrie. Dort konnten die Unternehmen aus Heilbronn-Franken beweisen, dass sie in Sachen Innovationskraft ganz oben mitspielen.

Wer schon einmal bei einem Umzug eine Waschmaschine heben musste, kann ermessen: Die weiße Ware bringt ordentlich etwas auf die Waage. Nimmt man drei Waschmaschinen, entspricht das ungefähr dem Gewicht, das ein Deutscher durchschnittlich pro Jahr an Verpackungsabfall verursacht. Die aktuellsten Zahlen des Umweltbundesamts unterstützen, was im August kommenden Jahres für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich wird: Die Packaging und Packaging Waste-Verordnung, kurz PPWR. Sie schreibt vor, Verpackungsabfälle drastisch zu reduzieren und Materialien effizienter und nachhaltiger einzusetzen – und sie stellt damit die Verpackungsindustrie vor Herausforderungen.
Denn Unternehmen müssen strengere Vorgaben in Bezug auf Recyclingfähigkeit, den Einsatz von recycelten Materialien und die Minimierung von Verpackungsmengen erfüllen und müssen ihre Prozesse und Produkte an den neuen Standards orientieren. Das Ziel lautet deshalb stärker denn je, den Kunden innovative Lösungen zu bieten, um Ressourcen zu schonen.
Illig Packaging Solutions aus Heilbronn auf der Fachpack 2025
Genau darüber hat der Heilbronner Verpackungsspezialist Illig Packaging Solutions nachgedacht. Heraus kam eine sprichwörtlich ausgezeichnete Lösung: Die Dry Fiber Technologie. Frédéric Engel aus dem Produktmanagement Dry Fiber bei Illig erläutert den Vorteil: das Verfahren des Heilbronner Systemanbieters für Thermoform- und Verpackungstechnik verarbeitet Naturfasern trocken.
In einem mehrstufigen Verfahren lassen sich demnach in kurzen Taktzeiten präzise Joghurt- und andere Becher, Schalen, Deckel und mehr herstellen – ohne Wasserzugabe, wie Engel ausführt: „Das spart nicht nur enorme Mengen an Energie und Ressourcen, sondern reduziert auch den CO₂-Fußabdruck unserer Kunden“, erläutert er. „Für uns ist Dry Fiber ein entscheidender Schritt hin zu zukunftsfähigen Verpackungslösungen, die den hohen Ansprüchen an Nachhaltigkeit gerecht werden und gleichzeitig industriell effizient produziert werden können.“
Das Potenzial hinter der Idee verschaffte dem Unternehmen aus der Region auf der diesjährigen Fachpack, Europas Branchenleitmesse für die Verpackungsindustrie in Nürnberg, gleich am ersten Messetag einen Platz auf dem Siegertreppchen im Saal „München“ des Nürnberger Congress Centrums. Dort verlieh das Deutsche Verpackungsinstitut (dvi) den Deutschen Verpackungspreis 2025 – und unter den 37 Finalisten in verschiedenen Kategorien überzeugte Illigs Entwicklung in der Kategorie Verpackungsmaschinen die Jury am stärksten.
„Besonders anerkennenswert ist die geleistete und noch zu erwartende Entwicklungsarbeit in der verwendeten Maschinentechnik und der Beitrag zu zukünftigen nachhaltigen Verpackungslösungen“, begründete das Gremium seine Entscheidung für das Produktionssystem zur Herstellung faserbasierter Verpackungen.
„Die Branche steht aktuell unter großem Druck“
Insgesamt zeigten auf der diesjährigen Fachpack etwa 1400 Aussteller in elf Hallen drei Tage lang Maschinen, Kennzeichnungstechnik, Packstoffe und -hilfsmittel sowie Innovationen rund um Automatisierung, Robotik und Software – erneut unter dem Messeleitthema „Transition in Packaging“. Und wie das Motto schon im Vorjahr angedeutet hatte, ist nach wie vor Wandel die größte Konstante für die Verpackungsindustrie – die Maschinenbauer merken dies insbesondere bei Themen wie PPWR, Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Doch genau zu diesen Schwerpunktthemen lieferten die Aussteller aus Heilbronn-Franken innovative Lösungen. So standen Klimawandel, Kreislaufwirtschaft und alternative Verpackungsmaterialien – und die damit verbundenen Anforderungen an die Branche – nach Aussage des Veranstalters Nürnberg Messe in drei verschiedenen Vortrags-Foren im Fokus. Verpackungspreisgewinner Illig repräsentierte mit seiner marktreifen Dry-Fiber-Entwicklung Nachhaltigkeit als Kernthema für die Branche.
Für Produktmanager Engel liegt im Thema Ressourcenschutz ein wichtiger Treiber für die Transformation in der Verpackungsindustrie: „Die Branche steht aktuell unter großem Druck: Strengere regulatorische Vorgaben, steigende Rohstoffpreise und veränderte Konsumentenbedürfnisse verlangen nach neuen Lösungen“, sagt er. Dazu kommen die Auswirkungen der jüngsten Zollvereinbarungen mit den USA – nach den aktuellen Zahlen des ifo-Instituts verschlechterten sich die Exporterwartungen insbesondere in der Nahrungsmittelbranche, einem für viele Verpacker wichtigen Kunden.
Nachhaltigkeit, KI und Digitalisierung
Bei Illig beflügeln die herausfordernden Rahmenbedingungen allerdings den Erfindergeist: „Genau darin sehen wir eine enorme Chance. Wer jetzt in nachhaltige, ressourcenschonende Technologien investiert, positioniert sich für die Zukunft“, ist Engel überzeugt. Die Dry-Fiber-Technologie und weitere Innovationen zeigten, dass Verpackungen zugleich ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sein können.
Auch an der zweiten Stellschraube für eine gelungene „Transition in Packaging“ drehen Unternehmen aus der Region erfolgreich: KI und Digitalisierung. Wie präsent das Thema bei Verpackungsmaschinenbauern ist, dafür ist die R.Weiss Packaging GmbH ein Beispiel. Auch der Crailsheimer Hersteller von Verpackungsmaschinen und kompletten Verpackungsanlagen für Pharma-, Kosmetik-, Lebensmittel-, Chemie- sowie Non-Food-Produkte war in diesem Jahr wieder auf der Fachpack dabei.
Dort hatte das Unternehmen genau vor zwei Jahren den entscheidenden Kontakt für ein Projekt geknüpft, das nach eigener Aussage für die Branche insgesamt von Bedeutung ist: eine Machbarkeitsstudie zur Umsetzung einer webbasierten Human-Machine-Interface (HMI) für Pick&Place-Pickerlinien. Gemeinsam mit dem Stuttgarter Technologie- und Innovationscampus S-Tec wurden dabei unter der Regie des Fraunhofer-Instituts am Beispiel einer R.Weiss-Unirob-Pickerlinie die Möglichkeiten moderner Web-Technologien bei der Bedienung und Überwachung der Anlage untersucht.
„Fraunhofer brachte dabei seine fundierte Forschungskompetenz ein, während wir unser Praxis-Know-How aus dem Maschinenbau beisteuerten“, beschreibt es Andreas Erhardt, Abteilungsleiter Elektrotechnik bei R.Weiss Packaging und Hauptverantwortlicher des Projektes.
Unabhängigere HMI-Lösung
Wer sich als Branchenfremder unter HMI – Mensch-Maschine-Schnittstelle – nichts vorstellen kann, dem hilft vielleicht ein Vergleich: Das kann, vereinfacht gesagt, jeder Bildschirm sein, mit dem ein Nutzer mit einem oder mehreren Geräten kommunizieren kann. In der heimischen Küche wäre es zum Beispiel ein Smart-Home-Dashboard, über das parallel der Mixer hochgeregelt, der Backofen vorgeheizt und die Mikrowelle bedient werden kann. Im Maschinenbau sind solche Hard- und Softwarelösungen vielfach in Anlagen integriert.
An einer R.Weiss-Unirob-Pickerlinie wurden nun Vor- und Nachteile einer „mobilen“, webbasierten Lösung getestet. Die Studie ist aus Erhardts Sicht deshalb so relevant, weil standardisierte Mensch-Maschine-Schnittstellen als webbasierte HMIs ortsunabhängig bedient und Zusatzfunktionen wie Datenanalyse und Condition Monitoring integriert werden können. Darüber hinaus gibt es einen weiteren Vorteil in Sachen Unabhängigkeit: „Anwender sind künftig nicht mehr starr an einen bestimmten HMI-Hersteller gebunden, sondern können deutlich flexibler agieren und Lösungen besser an ihre individuellen Anforderungen anpassen“, sagt der Studienverantwortliche.
Illig und R.Weiss sind Mitglieder im Branchencluster Packaging Valley, dem viele Unternehmen aus Heilbronn-Franken angehören. Auf der Fachpack war das Netzwerk aus mehr als 100 Herstellern, Maschinenbauern und Dienstleistern erneut mit 21 Ausstellern am 1400 Quadratmetern großen Gemeinschaftsstand vertreten, 23 weitere Mitglieder präsentierten sich auf eigenen Flächen. Das zeigt: Heilbronn-Franken mit seinen starken Playern spielt vorne mit in Sachen Innovation.
Phuong Anh Do, Direktor Fachpack bei der Nürnberg Messe, hatte schon im Vorwege festgestellt: „Die Verpackungsbranche kann stolz auf sich sein: Sie reagiert mit beeindruckender Geschwindigkeit und Innovationskraft auf die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit.“ Genau das mache sie zu einem starken, resilienten und zukunftsfähigen Teil der Wirtschaft.
Natalie Kotowski


