Die Diskussion um die Einführung einer Vier-Tage-Woche mit reduzierter Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich hält weiterhin an. So traumhaft es für manchen klingt, bleibt doch auch die Skepsis gegenüber ihrer flächendeckenden Umsetzbarkeit.
Im vergangenen Herbst forderten gleich mehrere Gewerkschaften in ihren Tarifrunden eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, darunter die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL). Grundsätzlich würde dies bedeuten, dass an vier Tagen gearbeitet wird und das Wochenende drei Tage andauert. Die Befürworter argumentieren mit einer verbesserten Work-Life-Balance und einer gesteigerten Produktivität bei den Beschäftigten. Zuletzt bekam das Modell in der Bevölkerung eine hohe Zustimmung: Über 70 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland wünschen sich laut Statista demnach eine Vier-Tage-Woche, allerdings mit geringerer Arbeitszeit bei gleichem Lohn.
Daran zeigt sich, dass es unterschiedliche Modelle gibt, mit denen sich eine Vier-Tage-Woche umsetzen lässt:
- Gleichbleibende Wochenarbeitszeit an weniger Arbeitstagen: Wenn Arbeitnehmende 40 Stunden in der Woche arbeiten, werden die Stunden auf vier Arbeitstage verteilt. So entstehen vier Arbeitstage mit je 10 Arbeitsstunden.
- Weniger Arbeitsstunden bei weniger Gehalt an vier Arbeitstagen: Das Gehalt wird entsprechend der Arbeitszeit reduziert.
- Weniger Arbeitsstunden bei gleichem Gehalt an vier Arbeitstagen: Der sogenannte 100-80-100-Ansatz sieht vor, dass für 80 Prozent der Arbeitszeit 100 Prozent des Gehalts ausgezahlt werden, die erwartete Produktivität jedoch weiterhin bei 100 Prozent liegt.
Wie lange wird wo gearbeitet?
Arbeitszeit ist Lebenszeit: Der Anteil der Zeit, der am Tag beziehungsweise im Leben für Arbeit aufgewendet wird, ist hoch. Die Lebensarbeitszeit in der Europäischen Union lag laut Statista im Jahr 2022 durchschnittlich bei 36,5 Jahren – in Deutschland lag sie mit 39,3 Jahren über dem EU-Durchschnitt. Derweil lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in Deutschland bei rund 81 Jahren – fast die Hälfte des Lebens wird also in irgendeiner Form gearbeitet. Bei der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigen nach Geschlecht haben sich die Arbeitszeiten in den vergangenen Jahren immer mehr angeglichen. 2023 lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei vollzeitbeschäftigen Frauen bei 39,1 Stunden und bei Männern bei 40,8 Stunden.
Was sind die Vor- und Nachteile einer Vier-Tage-Woche?
Die Idee der Vier-Tage-Woche ist, dass die Arbeitnehmenden entlastet werden und bei ihrer Arbeit erholter und engagierter sind. Auch der Anspruch einer verbesserten Work-Life-Balance spiegelt sich in dem Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche wider.
Die häufigsten Gründe der Arbeitnehmenden selbst, nach dem Wunsch einer Vier-Tage-Woche, sind mehr Zeit für sich selbst und für die Familie, aber auch die Verringerung der Arbeitsbelastung. Bei der Frage, weshalb sich die Work-Life-Balance in den vergangenen Jahren verschlechtert hat, gab ein Großteil der Befragten an, dass dies an mehr Arbeitsstunden lag. Eine Reduktion der Arbeitsstunden könnte somit zu einer Verbesserung der Work-Life-Balance führen.
Doch nicht jeder befürwortet die Einführung des neuen Arbeitszeitmodells: Gründe für die Ablehnung einer Vier-Tage-Woche waren laut Statista pragmatischer sowie persönlicher Natur: Ein Großteil gab an, Spaß an der Arbeit zu haben. Zudem könne die Arbeit nicht einfach einen Tag ruhen.
Für Unternehmen wird das Arbeitszeitmodell oft als Mittel der Wahl genannt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Personen, die unter den gängigen Vollzeit-Bedingungen nicht arbeiten könnten oder wollten, könnten so für Engpassberufe gewonnen werden. Arbeitgeber sind jedoch teils besorgt, dass die Reduktion der Arbeitszeit zu einer Arbeitsverdichtung und somit zu einer insgesamt schlechteren Situation innerhalb des Unternehmens führt.
Umsetzung der Vier-Tage-Woche noch in der Testphase
Bisher wurde die Vier-Tage-Woche bei reduzierter Wochenarbeitszeit übrigens noch in keinem Land flächendeckend eingeführt. In Belgien ist sie zwar seit Ende 2022 grundsätzlich für Arbeitnehmende möglich, allerdings bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit.
Inzwischen wurden in verschiedene Ländern Europas und auch vereinzelt in Deutschland Pilotprojekte für die Testung des 100-80-100-Modells gestartet. Befürworter argumentieren hier mit einer höheren Produktivität während der Arbeitszeit aufgrund der Reduktion der Arbeitszeit. Langfristig könne dies zu gesteigerten Unternehmensumsätzen und weniger Krankheitstagen der Beschäftigten führen. Dies ergab eine Studie von Forscherinnen und Forschern des Boston College und der Universität Cambridge.
Vorreiter in Europa ist Island. Dort wurde bereits von 2015 bis 2019 eine Vier-Tage-Woche für Mitarbeitende des Rathauses und der Regierung in Reykjavik getestet. Die Ergebnisse waren auch hier eine verbesserte Gesundheitssituation und Produktivität der Mitarbeitenden. In Deutschland gibt es bisher vorwiegend kleine Projekte verschiedener Städte und einzelner Unternehmen.
An die Umsetzbarkeit des 100-80-100-Modells glaubt mittelfristig allerdings nur ein Drittel der deutschen Erwerbstätigen. Dennoch ist die Diskussion um eine Vier-Tage-Woche aktueller denn je. So hat auch die IG-Metall hat eine Reduktion der Wochenarbeitszeit gefordert, um Beschäftigten mehr Flexibilität einzuräumen.
Aktuelles Pilotprojekt in Deutschland
Außerdem wurde im Februar 2024 ein Pilotprojekt gestartet, für das in 45 Unternehmen die Vier-Tage-Woche bei reduzierter Arbeitszeit und vollem Lohnausgleich testweise eingeführt wurde. Laut einem Bericht von Tagesschau.de zu einem Zwischenbericht läuft bei den Unternehmen nicht alles ganz reibungslos. Mit den Ergebnissen der deutschen Pilotstudie ist nach Angaben der Unternehmensberatung Intraprenör – dem Initiator des Pilotprojekts – im Oktober zu rechnen.
red.