Die Fähigkeit, sich ständig zu erneuern

Das Rückgrat in Deutschland sind die Traditions- und Industrieunternehmen. Nena Brockhaus über Start-ups als Geldverbrennungsmaschinen und warum nicht die richtige Zeit für Good News ist.

Tradition und Innovation
Nena Brockhaus: „Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt.“ Foto: privat


Im Interview mit dem Focus sagen Sie, dass Ihnen die Macher des Zukunftswiesen Summits imponieren – Vertreter der GenZ, die Sie sonst kritisch sehen. Was machen die Macher des Summits richtig?

Nena Brockhaus: Ganz einfach: Die Macher des Summits sind hungrig. Sie wollen etwas bewegen und verändern. Diese Lust auf Veränderung eint uns. Dafür fahre ich auch gerne 370 Kilometer von meiner Heimatstadt Düsseldorf nach Hohenlohe.

Jeder kennt wahrscheinlich Schrauben Würth mit Sitz in Hohenlohe. Was verbinden Sie sonst mit der Region Heilbronn-Franken? Sie sind nun schon zum zweiten Mal beim Summit.

Brockhaus: Die Region ist ein bedeutendes Wirtschaftszentrum mit einer starken Präsenz von mittelständischen Unternehmen und global tätigen Konzernen. Ich behaupte auch, dass die hier ansässigen Unternehmen der Schwarz-Gruppe Lidl und Kaufland noch berühmter als Schrauben Würth sind. Auch die Hochschule Heilbronn ist bekannt für ihre Studiengänge in den Bereichen Technik, Wirtschaft und Informatik. Persönlich verbinde ich mit Ihrer Region aber vor allem das kulturelle Erbe und die Geschichte. Von klein auf haben mich Schlösser, Burgen und mittelalterliche Städte immer fasziniert. Die Burg Stettenfels ist ein magischer Ort. Doch auch die Altstadt von Schwäbisch Hall ist sehr eindrucksvoll.

Sie fordern, dass die GenZ Respekt vor der Lebensleistung der Älteren haben soll. Schaffen es Formate wie der Summit, Traditionsunternehmen und Startups zusammenzubringen – oder braucht es dazu mehr?

Brockhaus: Der Zukunftswiesen Summit leistet selbstverständlich seinen Beitrag, aber es braucht noch viel mehr Foren. Respekt vor der Lebensleistung der Älteren zu haben, hat auch viel mit Erziehung zu tun, und diese erfolgt im Privaten. Spannend fände ich, wenn Kommunen sich Projekte überlegen, wie der Austausch zwischen den Akteuren der verschiedenen Generationen nachhaltig gefördert werden kann.

Tradition und Innovation
Nena Brockhaus mit Organisator Samuel Keitel beim Summit 2023. Dort prägte sie den Begriff „Head of Klick“. Warum, kann vor Ort gefragt werden. Foto: Zukunftsmacher

Tradition trifft Innovation lautet das Thema beim Zukunftswiesen-Summit. Was verstehen Sie persönlich unter Tradition, was unter Innovation?

Brockhaus: Weihnachtsfeiern, Familienrezepte, Ostern, Hochzeitsbräuche, Karneval, der Verbrenner – all das sind liebgewonnene Traditionen. Smartphones, Künstliche Intelligenz, mRNA-Impfstoffe, Sharing Economy – all das sind Innovationen.

Stehen Tradition und Innovation überhaupt im Widerspruch?

Brockhaus: Tradition und Innovation erfüllen unterschiedliche, aber komplementäre Rollen in einer Gesellschaft oder einem Unternehmen. Traditionen bieten Stabilität, Identität und bewährte Methoden, während Innovationen Fortschritt, Anpassungsfähigkeit und Verbesserung bringen. Viele Traditionsunternehmen haben ihre Größe und ihren Erfolg durch kontinuierliche Innovation erreicht. Beispiele sind Unternehmen wie Siemens, IBM oder General Electric, die durch ständige Weiterentwicklung und Anpassung an neue Technologien und Märkte groß geworden sind. Diese Unternehmen kombinieren ihre lange Geschichte und ihre etablierten Werte mit der Fähigkeit, sich ständig zu erneuern. Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass nur Start-ups innovativ sein können. Auch etablierte Unternehmen investieren massiv in Forschung und Entwicklung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Unternehmen, das in sechster Generation wirtschaftet, kann sich Innovation wohl stärker auf die Fahne schreiben als ein neu gegründetes Start-up. Das Familienunternehmen hätte schließlich ohne Innovation nicht so lange durchgehalten. Das Start-up muss sich noch beweisen. Ein Beispiel für Tradition und Innovation ist die kulinarische Innovation, bei der traditionelle Rezepte modern interpretiert werden.

Was können Traditions- und Industrieunternehmen, wie es sie in der Region Heilbronn-Franken in großer Zahl gibt, von Start-ups lernen?

Brockhaus: Ich würde die Frage umdrehen: Was können Start-ups von Traditions- und Industrieunternehmen lernen? Ich halte es für fatal, dass Startups seit Jahrzehnten in der Presselandschaft derart hochgelobt werden, während viele Start-ups schlicht Geldverbrennungsmaschinen sind. Das Rückgrat von Deutschland sind die Traditions- und Industrieunternehmen, nicht die Start-ups.

Auf der Titelseite des PROMAGAZIN bilden wir Unternehmenslenker der Region ab. Das sind, bis auf sehr wenige Ausnahmen, immer noch Männer. Warum sind auch 2024 immer noch so wenige Frauen an der Spitze?

Brockhaus: Die Gründe hierfür sind vielschichtig und umfassen historische, gesellschaftliche, kulturelle und strukturelle Faktoren. Einer der wichtigsten Punkte ist für mich der Mangel an weiblichen Vorbildern. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt für viele Frauen nach wie vor eine große Rolle. 2021 habe ich gemeinsam mit der Schauspielerin Vivien Wulf die Initiative WoMen on Top gegründet. Mit WOT machen wir uns stark für den gesellschaftlichen Wandel. Was uns sehr wichtig ist: Bei unseren Veranstaltungen sind stets Frauen UND Männer vor Ort. Die Gleichberechtigung geht uns alle an!

Im PROMAGAZIN transportieren wir die „Good News“ aus der Wirtschaft der Region. Was sind – allen Krisen zum Trotz – gute Neuigkeiten, die es in Deutschland für Unternehmen gibt?

Brockhaus: Der flächendeckende Ausbau des 5G-Netzes schreitet voran, was Unternehmen neue Möglichkeiten für Industrie-4.0-Anwendungen und die Vernetzung von Produktionsprozessen bietet. Dazu kann man nur sagen: Endlich! Schließlich befindet sich unser Land in Infrastrukturrankings eher im europäischen Mittelfeld und bei neueren Themen, wie dem Glasfasernetz, auf den hinteren Rängen. Jeder von uns hat seine persönlichen Negativbeispiele zu Dauerbaustellen, Handyempfang oder Schlaglöchern. Liegt es an unserem mangelnden Steueraufkommen, dass wir uns nicht mehr leisten können? Nein. Zunächst einmal ist unser gesamter Bundeshaushalt zweifelsfrei ergiebig genug für eine Weltklasse-Infrastruktur. Ich behaupte aber, dass selbst das existierende Budget für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr groß genug ist, um eine erheblich bessere Infrastruktur herzustellen. Das waren jetzt keine Good News, aber ich finde auch nicht, dass aktuell der richtige Zeitpunkt für Good News über die deutsche Wirtschaft ist. Wir benötigen vielmehr einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt, um unseren Wirtschaftsstandort wieder fit zu machen!


Zur Person

Nena Brockhaus ist Wirtschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin, Autorin – und Speakerin beim Zukunftswiesen Summit. Ihr 2023 erschienenes Interviewbuch „Alte WEISE Männer“ (gemeinsam mit Franca Lehfeldt) ist ein Bestseller.


Interview: Beate Semmler

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