Deutsche Wirtschaft braucht Schub in Richtung Wachstum

Was muss getan werden, um die deutsche Wirtschaft zu stärken? Ein Bündel von Maßnahmen ist erforderlich, sagt Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung und Panel-Teilnehmer beim Zukunftswiesen Summit.

Deutsche Wirtschaft
Karl-Heinz Paqué (FDP) ist Vorsitzender der Friedrich- Naumann-Stiftung für die Freiheit. Foto: Photothek Thomas Imo

Die deutsche Wirtschaft schrumpft, Unternehmen wandern ab, die Arbeitslosenzahlen steigen – und das könnte erst der Anfang sein. Gehörte die deutsche Wirtschaft vor zehn Jahren noch zu den wettbewerbsfähigsten der Welt, zeigt sich heute mit bitterer Deutlichkeit das düstere Bild versäumter Strukturreformen. Was wir jetzt brauchen, ist eine umfassende wirtschaftliche Wende!

Deutschland stand bereits mehrfach vor der Notwendigkeit eines wirtschaftspolitischen Kurswechsels, so in den 2000er Jahren mit der Agenda 2010. Angesichts der aktuellen Herausforderungen wie wirtschaftlicher Stagnation und demografischem Wandel ist erneut ein radikales Umdenken erforderlich. Wirtschaftliche Schwäche kann sich Deutschland nicht leisten, denn geopolitische Stärke erfordert wirtschaftliche Stabilität. Doch was muss getan werden, um die deutsche Wirtschaft wieder zu stärken? Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort – vielmehr ist ein abgestimmtes Bündel von Maßnahmen erforderlich.

Neue Arbeitsmarktpolitik für die deutsche Wirtschaft

Ob vor Logistikzentren, an Industriestandorten, im örtlichen Supermarkt oder im Café um die Ecke: Überall hängen sie, die Aushänge mit den Stellenangeboten. Während noch vor 20 Jahren arbeitswillige Menschen keinen Job fanden, hat sich das Blatt gewendet. Die Nachfrage nach Fach- und Arbeitskräften übersteigt das Angebot bei weitem. Das Groteske: Viele Menschen sind immer noch arbeitslos. Ein Umbau der staatlichen Unterstützung hin zu mehr Anreizen und Druck zur Arbeitsaufnahme ist daher unerlässlich.

Gleichzeitig muss die Arbeitszeit flexibilisiert und insgesamt verlängert werden. Hier sind vor allem die Tarifparteien gefordert, moderne Modelle auszuhandeln, die den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und des Arbeitsmarktes gerecht werden – das gebietet auch die Demografie. Denn in den nächsten zehn Jahren werden viele Menschen durch den Eintritt in den Ruhestand aus dem Erwerbsleben ausscheiden – hier gilt es, durch geeignete Lösungen einen organischen Übergang für den Arbeitsmarkt zu finden. Diesem allgemeinen Trend muss auch mit einer neuen Migrationspolitik begegnet werden. Eine Politik, die unkontrollierte Zuwanderung eindämmt und gleichzeitig qualifizierte Arbeitsmigranten anzieht. Das Dynamisierungspaket der Bundesregierung setzt hier bereits richtige Akzente, geht aber noch nicht weit genug, um das volle Erwerbspotenzial der deutschen Bevölkerung auszuschöpfen, geschweige denn die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen.

Deutsche Wirtschaft
Unternehmen suchen dringend Fachkräfte – während viele Menschen immer noch arbeitslos sind. Foto: Phototek Thomas Imo, AdobeSTock/bluedesign

Mehr Investitionen, weniger Bürokratie

Deutschland hat fast 20 Jahre lang von der Substanz gelebt. Ob beim Schienennetz, den Autobahnen, der Gesundheitsversorgung oder dem Energiesystem. Dringend notwendige Investitionen wurden auf die lange Bank geschoben und das Ergebnis ist offensichtlich: ein unzuverlässiger öffentlicher Nahverkehr, überlastete Krankenhäuser und marode Brücken. Es liegt nun an der jetzigen Regierung, diese Lücke zu schließen, ohne die Haushaltsgrenzen zu sprengen – keine leichte Aufgabe. Denn Wirtschaftswachstum braucht eine leistungsfähige Infrastruktur, einen modernen Kapitalstock und risikobereite Finanzmärkte. Ersteres erfordert schnelle und entschlossene Planungen und den Abbau bürokratischer Hemmnisse.

Um privates Kapital zu mobilisieren, müssen die Rahmenbedingungen in Deutschland so gestaltet werden, dass sich Investitionen lohnen. Steuererhöhungen verbieten sich daher im internationalen Standortwettbewerb. Darüber hinaus muss der Zugang deutscher Unternehmen zu Wagniskapital verbessert werden. Denn hierzulande gibt es durchaus leistungsfähige Gründer und Start-ups, allein die Finanzierungsbedingungen verhindern allzu häufig einen durchschlagenden Erfolg.

Deutsche Wirtschaft
Warten auf die nächste Verbindung: Ein unzuverlässiger öffentlicher Nahverkehr als Folge von aufgeschobenen Investitionen. Fotos: Privat, AdobeStock/akhenatonimages

Stabilität mit Schuldenbremse

Deutschland befindet sich in einem Teufelskreis aus hohem Investitionsbedarf und fehlendem Wachstum. Steuererhöhungen und neue Schulden sind in dieser Situation keine nachhaltigen Lösungen – sie wären sogar schädlich. Deutschland sollte sich daher an der Schweiz orientieren, die ihre Investitionen aus dem laufenden Haushalt finanziert und damit erfolgreich öffentliche Projekte finanziert.

Um die notwendigen Spielräume zu schaffen, führt kein Weg an einer tiefgreifenden Reform des Sozialstaates vorbei, mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken und die Belastung der Haushalte durch die Sozialsysteme zu reduzieren. Diese Reform wird der Bevölkerung Opfer abverlangen, die aber angesichts der guten Arbeitsmarktlage verkraftbar sind.

Die Ampel-Regierung hat viele wichtige Impulse gesetzt, aber das reicht bei weitem nicht aus, um die Fehlentwicklungen der letzten 20 Jahre zu korrigieren – denn echte Reformen kosten politisches Kapital, das einige Koalitionäre leider auch jetzt noch nicht zu riskieren bereit sind. Dabei bräuchte es angesichts der geopolitischen Lage gerade jetzt einen kräftigen Schub in Richtung Wachstums- und Angebotspolitik sowie grundlegende Strukturreformen – an uns Liberalen soll es nicht scheitern.

Deutsche Wirtschaft

Zum Autor

Karl-Heinz Paqué (FDP) ist Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und ehemaliger Finanzminister von Sachsen-Anhalt.


Karl-Heinz Paqué

Mehr zum Thema

Junge Talente

Was High Potentials im Mittelstand suchen

Wer bekommt die Top-Talente? Nur diejenigen Unternehmen bekommen junge Talente, die alles richtig machen. Was das ist, weiß David Döbele …